Die Aufnahmen zeigen Orte und Geschichten. Ich widme meine Bilder allen, die ich unterwegs fotografieren durfte. Sie haben mein Leben bereichert.
von Beate Mitzscherlich
Ich fahre mit meinem rothaarigen Schamanenfreund, den ich am Bahnhof abgeholt habe, zu unserem Indianertreffen nördlich von Berlin. An der Autobahnauffahrt stehen zwei Tramper mit einem riesigen Bambusrohr. Ich halte an und fahre rückwärts. Habe schon lange keine Tramper mehr gesehen, geschweige denn welche mitgenommen. Sie kommen angelaufen, mit einem kleinen Rucksack und dem Riesenrohr. »Wo wollt ihr hin?« frage ich. »Berlin!« Ich schaue skeptisch auf das lange Teil und meinen kleinen R4, aber wir haben damit schon ganz andere Transporte geschafft. Mit ein bißchen Basteln kriegen wir es hinein. Schräg verkantet vom Beifahrer-Fußraum bis in die hinterste obere Ecke. Die Jungen sind schmal und fädeln sich auf der engen Rückbank ein. Der eine hat Lederhosen an, die an den Außennähten zusammengeknotet sind, der andere trägt sein Haar in Rastazöpfen. Tramper sind dazu da, die Fahrer zu unterhalten und weiterzubilden. »Was schleppt ihr denn da mit euch rum?« »Ein Dideridgoo. Ein Blasinstrument. Die australischen Ureinwohner rufen damit die Seelen der Toten.« »Und was wollt ihr damit in Berlin? Gibt´s da so viele tote Seelen?« Sie grinsen und bieten uns Konfekt aus einer großen Kiste an. Der R4 entwickelt ungeahnte Kräfte. So schnell war ich damit noch nie in Berlin. Wir fahren mitten durch´s Zentrum und setzen sie am Alexanderplatz ab, im Halteverbot unter der S-Bahn-Brücke. Bloß kein langes Gelaber zum Abschied. »Na, dann blast mal schön!« Sie überlassen uns den Rest Konfekt. Als wir wieder auf der Autobahn sind, frage ich meinen Freund: »Sag mal, hast du die gerufen?« »Ne,« sagt der. »Soweit bin ich noch nicht.«